Im Herzen Südamerikas – umgeben von Brasilien, Argentinien und Bolivien – liegt der Binnenstaat Paraguay. Der Río Paraguay durchfließt das knapp 407.000 Quadratkilometer große Land von Norden nach Süden und teilt es in zwei Naturräume: im Westen eine trockene Savannen- und Buschlandschaft, das sogenannte Chaco. Und im Osten ein Tafel- und Bergland mit dichten Tropenwäldern und weiten Sumpflandschaften. Hier, im subtropischen Klima der Paraneña, fühlen sich Zitruspflanzen pudelwohl. Zum Beispiel Zitronen, deren getrocknete Schalen in vielen unserer Tees herrlich sauer-frische Noten verbreiten.
Einwohner: 6,9 Millionen
Sprachen: Guaraní, Spanisch
Typische Namen: Graciela, María, Miguel, Ramón, Juan
LEBENSBAUM bekommt von hier: Zitronenschalen
Wir erreichen Tetã Paraguái, wie das Land auf Guaraní heißt, von Bolivien aus und durchqueren – auf einer reichlich holprigen, 13-stündigen Busfahrt – das Chaco. Die kleine Hacienda unseres Anbaupartners liegt auf der anderen Seite des Río Paraguay, im immergrünen Osten des Landes. Hier ist es kühler als im glühend heißen Chaco, im Sommer herrschen „nur“ 30 Grad. Dafür eine
hohe Luftfeuchtigkeit. Ins Schwitzen kommt man schnell. Wie gut, dass Francisco, unser Gastgeber, nach unserer Ankunft direkt Kaltgetränke parat hat. „Gönnt euch erst einmal einen Schluck Tereré – mit Eiswasser aufgegossenen Mate. Unser Nationalgetränk und das beste Mittel gegen Hitze und Reisemüdigkeit.“ Der Tereré verfehlt seine Wirkung nicht: Belebt und erfrischt machen wir uns an die Erkundung von Franciscos Familienbetrieb.
In der Lagerhalle duftet es herrlich nach frischen Orangen, Limetten und Zitronen. Wir haben Glück, denn Francisco hat heute Morgen eine große Menge der gelben Früchte geerntet. Sie wachsen in seinen kleinen Zitrushainen, an bis zu fünf Meter hohen, immergrünen Bäumen. „Im Vergleich zu anderen Zitruspflanzen sind Zitronenbäume schnellwüchsig und tragen oft gleichzeitig Knospen, Blüten und Früchte. Frische Zitronen gibt es bei mir also das ganze Jahr“, erzählt er uns. Deswegen wird in seinen Hainen per Hand geerntet. Seine Mitarbeiter prüfen jede Frucht genau, nur die reifen Früchte landen im Sammelkorb. Die heranreifenden Zitronen und die empfindlichen Blüten und Knospen bleiben bei der sorgfältigen Ernte ungestört am Baum.
Nach der Ernte wird ein Teil der Früchte direkt auf der Farm weiterverarbeitet. Geschickt schälen die Mitarbeiter die Zitronen per Hand. Dabei entstehen lange Spiralen. Sie werden zum Trocknen an Gestellen befestigt und in die Sonne gestellt – wie Wäsche an der Wäscheleine. Wenn die Feuchtigkeit entzogen ist, werden die Zitronenschalen gut verpackt und gehen auf die Reise nach Diepholz. Dort angekommen, treffen sie zum Beispiel im Früchtetee auf Apfel, Hibiskus und ihre alte Bekannte, die Orangenschale.
Prompt meldet sich der Hunger bei uns. Kein Wunder, denn Saures regt den Appetit an. Zum Glück ist im gemütlichen Haupthaus bereits der Tisch gedeckt. Es gibt Surubí, Tigerwels aus dem nahe gelegenen Río, der in Zitronensaft – aus eigener Produktion, versteht sich – mariniert wird, bevor er zu Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Peperoni in die Pfanne kommt. Auf dem Tisch landet auch Sopa paraguaya, das Nationalgericht Paraguays. Übersetzt heißt es paraguayische Suppe. Allerdings ist die Sopa alles andere als flüssig – eher souffléartig. Francisco erklärt uns die verwirrende Namensgebung: „Der Legende nach ist dem Leibkoch des ehemaligen Präsidenten López das Lieblingsgericht seines Chefs – eine Suppe aus Maismehl, Käse, Zwiebeln und Milch – gehörig missglückt. Er hatte zu viel Maismehl in den Topf gegeben, die Suppe wurde dick. Beschämt servierte er sie dennoch. Der Präsident war begeistert und taufte das Gericht Sopa paraguaya.“
Die Suppe ist herzhaft und tatsächlich sehr stärkend. Das ist gut so, schließlich haben wir morgen einiges vor. Francisco lädt uns ein, weitere Kleinbauern in der Region zu besuchen. „1973 gründeten wir eine Kooperative aus Kleinbauern, Weiterverarbeitern und Ladenbesitzern. Seither unterstützen wir uns gegenseitig beim Anbau, der Verarbeitung und Vermarktung unserer Bio- Produkte. Mittlerweile sind wir 7.000 Mitglieder.“
Das klingt spannend und so, als könne man noch unendlich viel Zeit hier verbringen. Schade, dass die uns schon wieder im Nacken sitzt. Denn ein bisschen sputen müssen wir uns schon, um nicht die Ernte unserer Tees in China zu verpassen!